Ältere Semester – das Spätstudiumsblog, Teil 2

Messenger statt Rauchzeichen, Digi-Fernleihe statt Zettelkasten: Wie ich mich an mein neues Studentenleben gewöhne und seit wann ich wieder 27 bin

Seit vier Wochen bin ich Studentin der Hamburg Media School, zwei Seminare sind geschafft.

Tür auf, los geht’s: noch mal studieren mit 50+

Mein Grundgefühl: wie Ötzi im MacStore.

Denn wenn ich bisher dachte, dass ich relativ gut unterwegs bin in meinem Job – hey, ich kann steile Thesen aufstellen, interessante Leute finden, gut schreiben, läuft! – zeigt mit die Begegnung mit den mitstudierenden Kolleg:innen: Es ist, sagen wir, kompliziert.

Und das liegt am wenigsten daran, dass ich auf der Teilnehmendenliste mit meinem Ehenachnachnamen geführt werde und nicht mit meinem Autorinnen-Namen (das habe ich mir selbst so kompliziert eingerichtet und es ist okay).

Sondern an meiner optimistischen Selbsteinschätzung.

Auch Ötzi wird sich damals gedacht haben: Hey, ich habe feste Schneeschuhe, einen Speer, weiß, welche Beeren essbar sind und welche Tiere, und kann mich irgendwie mit Handzeichen verständigen, wenn ich auf meinem Weg über vereiste Pässe einen anderem Fellhändler begegne – ich bin voll auf der Höhe!

Und dann verirrt sich Ötzi in den MacStore in Bozen und wird gefragt: Welches iPhone hätten’s denn gern? Sie können ihre bisherigen Daten einfach aus der Cloud ziehen, und…wie…Sie HATTEN noch nie ein Smartphone? Nicht mal ein FESTNETZGERÄT?

Ein Smartphone habe ich natürlich. Und ich nutzte Social-Kanäle, und ich habe ein Blog (hier!), habe eine Ahnung von Foto und Video und eine Powerpoint, doch, hab ich auch schon gemacht, wenn auch selten.

Jetzt aber sitze ich in Übungen mit Leuten zusammen, die innerhalb von wenigen Stunden aus Rohmaterial eine fast perfekte Multimediastory bauen.

Oder eine animierte Präsentation für eine Multi-Channel-Strategie.

Oder einen Teaser für einen Podcast bauen und schneiden, inklusive Jingle und Sound-Effects, just like that.

Nein, tut es gar nicht! Man muss bloß den Bildschirm ein bisschen nach rechts kippen.

Nicht falsch verstehen: Das ist lang nicht so depriminierend, wie es klingt.

Es ist im Gegenteil vor allem inspririerend!

Hallo, wach! Die HMS hat sogar eigenen Kaffee, allerdings ohne Schaum.

Ja, ich bin ganz schön herausgefordert, sowohl von den technischen Skills, die fast alle hier schon mitbringen, als auch von den Vorgaben fürs wissenschaftliche Arbeiten.

Das letzte Mal, das ich eine Hochschule von innen gesehen habe, war vor dem Siegeszug des www, und man suchte nach Buchtiteln im Zettelkasten oder auf Mikrofiche (fragen Sie nicht, diese Technik ist mit Recht in Vergessenheit geraten.)

Aber ich bin gleichzeitig auch auf eine Weise geflasht, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe. Als hätte jemand die Tür meiner kleinen Elfenbeinturm-Schreibstube aufgestoßen, durchgelüftet und gesagt:

Ey, ganz hübsch hier mit all deinen Büchern und dem vielen Text und den tollen Geschichten – aber du weißt schon, dass da draußen eine Party tobt? Willst du nicht mitspielen?

Und so lustig es ist, in der Eröffnungsrede als „junges Talent“ mit angesprochen zu werden: Ich fühle mich auch gerade sehr siebenundzwanzigjährig.

Dürfen die aufs Handy starren, wenn die Dozentin vorn die Aufgabe erklärt??

Was natürlich sehr subjektiv ist. Aber glücklicherweise bin ich von so vielen großartigen 27jährigen umgeben (manche sind auch eher 35), die bereit sind, einer alten Frau über die Straße zu helfen.

Die mir geduldig Techniken erklären und „Präsis“ zum Laufen bringen, während ich noch nach dem Overheadprojektor und den Folienstiften suche (just kidding).

Und anders herum denke ich: Hey, was soll’s, ich muss mich auch nicht verstecken – ich bin schnell mit inhaltlichen Konzepten und Ideen.

Weil ich merke, das, worum es geht – Storytelling – ist im Kern genau dasselbe, das ich seit Jahrzehnten mache, nur eben auf anderen Kanälen.

Mein Ziel: vom Transformationsopfer zur Transformationstäterin.

Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen. Ich habe noch eine Hausarbeit zu schreiben und muss dafür noch ein Word-Plugin installieren, eine Zitat-Software, Sie wissen schon.

Fühlt sich wahnsinnig erwachsen an, so was zu schreiben.

Gnihihi.