Time is on my side, sangen die Rolling Stones vor 60 Jahren. Warum mich das gerade bei einem (kleinen!) Zwischentief im Masterstudium tröstet und weshalb die Stressphasen der Vergangenheit mir Mut machen für das, was noch vor mir liegt
Zwei Jahre können eine unendlich lange Zeit sein.
Das gilt zum Beispiel für Menschen, die gerade Eltern geworden sind: Ein kleines Wesen, das noch nicht einmal seinen eigenen Kopf halten kann, wird zu einem resoluten Kleinkind, das läuft und Zweiwortsätze spricht („Keks habe!“)
Es gilt auch noch, wenn aus dem Kleinkind ein Zehntklässler geworden ist, der gerade sein Oberstufenprofil ausgewählt hat: noch zwei Jahre Klausuren, Klassenchats, Kinderzimmer, das fühlt sich nach einer unendlichen Reise an, bis die große Freiheit, die große Unsicherheit, das so genannte Erwachsenenleben beginnt.
Oder später im Leben, wenn aus einer beginnenden Liebe zum ersten Mal ein Plan wird, eine Verschränkung von Wegen, die in dieser Zeit vom ersten Date zu jenem Tag führen, an dem Möbel aus zwei Wohnungen in einem Transporter zusammenfinden.
Je weiter diese Meilensteine im eigenen Leben zurückliegen, desto nichtiger scheint eine Zeitspanne von zwei Jahren.
Natürlich, die eigene Realität kann immer von heute auf morgen auf den Kopf gestellt werden, aber dennoch: Wer wie ich
- seit 17 Jahren in derselben Wohnung lebt,
- seit 18 Jahren Mutter ist,
- seit 20 Jahren verheiratet
- und 30 Jahren im Job,
… für den fühlt sich ein Unterschied von 24 Monaten ungefähr so bedeutend an, als spräche man über einen dreitägigen Kurztrip nach Amsterdam (wo übrigens das Beitragsbild entstanden ist).
Darüber musste ich gerade nachdenken, als ich in meinen letzten beiden Seminaren an der Hamburg Media School saß und feststellte: So sehr mich die Mitstudierenden, die Inhalte, die Calls mit Medienpraktiker:innen, die wissenschaftliche Arbeit noch immer interessiert – ein klein wenig ist die Begeisterungskurve abgeflacht.
Etwa ein Drittel ist geschafft.
Aber zwei Drittel liegen noch vor mir, und auch wenn meine Lernkurve am Anfang am allersteilsten war, heißt das nicht, dass ich jetzt entspannt über ein Hochplateau schlendern würde.
Auch, wenn’s immer wieder Highlights gibt – auf dem Bild oben sind ein paar von meinen Mitstudierenden zu sehen, die aus dem mitgebrachten Bastelkoffer eines Dozenten im Rahmen eines Design-Sprints einen Prototypen für eine App gebastelt haben.
Mit bunten Zetteln, Klebestift und Filzer. Ich liebe alles daran.
Aber so locker-kreativ ist es nicht immer, das ist auch gut so, ist ja auch ein Studium, kein Bastelkurs.
Es wird mehr, es wird verzweigter, anspruchsvoller.
Und was zu Beginn alles furchtbar neu und aufregend war, hat – wie könnte es anders sein – eine gewisse Routine bekommen. Von den Recherchen in der Staatsbibliothek bis zum Mittagessen im Foodcourt eines Einkaufszentrums, wenn samstags Seminar ist.
Manchmal wiederholen sich Inhalte, manchmal hinterlässt die Druckbetankung bei einem berufsbegleitenden Studium ihre Spuren.
Mein letztes Wochenende – im Sinne von: frei von Freitag bis Sonntag – ist mindestens drei Monate her.
Urlaubsplanung für den Sommer: 5 Tage max. Ein Marathon. Kein Sprint.
Wenn ich es richtig sehe, bin ich nicht die einzige in unserer Studiengruppe, die gerade ein kleines Zwischentief hat: Es wird viel, es wird anstrengend, es wird mehr.
Was für ein Vorteil, in dieser Situation ein älteres Semester zu sein! Denn mit zunehmendem Alter fällt es, finde ich, immer leichter, in anstrengenden Momenten die Vogelperspektive einzunehmen: Was wirst du in einem, in zwei, in zehn Jahren darüber denken?
Je häufiger ich mich im Leben durch anstrengende Zeiten gewurstelt habe, desto tiefer sinkt bei mir die Überzeugung ein: Ja, ich schaff das! Ob im Erststudium gleichzeitig Diplomarbeit schreiben und Abschlussprüfungen vorbereiten, ob Arbeiten mit Säugling (immer ans Telefon rennen, wenn das Baby gerade schläft, Interviews mit Kind auf dem Schoß führen), ob parallel an Buch, Hörspiel, Artikeln arbeiten: Es hat immer solche Hochdruckzeiten gegeben, ich kann sie durchstehen – und wenn ich sogar weiß, wann sie zu Ende sind, dann ist das ein ungewohnter Luxus.
Was das Studium betrifft: Ich weiß, wie erleichtert ich sein werde, wenn ich im Spätsommer 2025 meine Masterurkunde in der Hand halte.
Ich weiß, wie ich es bedauern werde, wenn sich der kreative Haufen wieder auflöst, die Inspiration nicht mehr automatisch im Zwei-Wochen-Takt kommt und mir neue Kontakte nicht mehr frei Haus geliefert werden, bei Calls in den Seminaren, Redaktionsbesuchen, Vorträgen.
Und ich weiß auch: Es wird unendlich schnell gehen.
Übrigens: Danke an die wunderbare Kollegin Lisa Hermann, die mich für ihren sehr lesenswerten Blog stadtlandmama zum Thema Studium über 40 interviewt hat 🙂