Wenn Frauen Babys bekommen, ist das eine schöne Sache. Wenn sie sich deswegen für bessere Menschen halten, eine schwierige. Und spätestens, wenn sie sich selbst zu Mutter-Göttinnen erklären, finde ich: Mama, komm mal wieder runter! So habe ich es in der BRIGITTE im Rahmen der „Geht das nur mir so?“-Kolumne beschrieben – im Frühjahr 2017
Am Anfang war das T-Shirt. Ich sah es zum ersten Mal vor einigen Jahren in einem besseren Hamburger Viertel, und ich hielt es für einen Witz. Einen von der feinen, selbstironischen Art. Das T-Shirt spannte sich über einem athletischen Schwangerschaftsbauch am Nebentisch im Café, und mitten drauf prangte das Wort „Göttin“. In Glitzerbuchstaben. Das fand ich lustig, denn das kannte ich auch: dass man als werdende Mutter in begeisterte Schnappatmung verfällt, wenn der eigene Körper auf einmal nicht nur Enzyme, Abluft und einen Zentimeter Haarlänge pro Monat produziert, sondern einen komplett neuen Menschen. Gleichzeitig ist der gelinde Schwangerschaft-Größenwahn ein bisschen albern. Als hätte man die Weltformel gefunden und nicht einfach nur ein Baby im Bauch. Was ich nicht ahnte bei meiner ersten Begegnung mit dem göttlichen T-Shirt: Die meinen das ernst. Und das war erst der Anfang.
Seitdem habe ich nämlich zunehmend das Gefühl: Frauen werden nicht einfach Mutter, sie erhöhen ihren Status. Und den muss man zelebrieren, kommunizieren und absichern. Eine „Baby Shower“, bei der die Freundinnen kurz vor der Geburt Geschenke vorbeibringen und alkoholfreien Prosecco servieren? Total Nuller Jahre. Mittlerweile gibt’s vorher noch die „Gender Reveal Party“, bei der vor der anwesenden Peergroup feierlich verkündet wird, ob’s ein Junge wird oder ein Mädchen. Mit Oh und Ah und farblich passenden Cupcakes. Andere Schwangere – wenn auch wenige – bringen ihre Kinder sprichwörtlich mutterseelenallein auf die Welt, ohne Arzt, ohne Hebamme, am liebsten im Wald und auf der Heide. Danach bloggen sie weltöffentlich von der göttlichen Kraft, die sie bei der „Alleingeburt“ durchströmt hat. Dass Mutter Natur es nicht immer nur gut meint? Kommt in den weiblichen Allmachtsphantasien eher nicht vor. Einen weiterer Höhepunkt war neulich auf Facebook & Co zu sehen: Kaum freuten sich Leute, dass das Jahr 2016 endlich vorbei ist, mit Terror und Katastrophen, hagelte es prompt Kritik von Frauen, die in dieser Zeitspanne ein Baby zur Welt gebracht hatten. Tenor: Wer 2016 am liebsten in die Tonne treten will, beleidigt damit mein Kind, vor allem aber mich und meinen Körper. „Weil der nämlich Großartiges geleistet hat!“ Zitat Ende.
Dabei hat der Hang zur Selbst-Vergöttlichung eigentlich einen positiven Hintergrund. Kind oder nicht Kind, das ist heute in erster Linie eine private Entscheidung. Der Körper kommt mit Special Features zur Fortpflanzung daher, aber ob man die nutzt oder nicht, ist grundsätzlich jedem selbst überlassen. Gut so. Ende der Geschichte. Oder auch nicht, denn da kommt ins Spiel, was Sozialwissenschaftler als „Kognitive Dissonanz“ bezeichnen: Wenn ein Schritt nicht selbstverständlich ist, sondern wählbar, dann sucht man umso dringender nach Bestätigung, wenn man ihn gegangen ist. Umgibt sich mit Menschen, die bestätigen, das Gras auf dieser Seite des Zaunes sei unzweifelhaft grüner und die Heiligenscheine leuchteten heller. Das ist menschlich und verständlich. Aber auf die Dauer nervt es. Wenn sich Mütter offensiv für bessere Menschen halten, werten sie damit andere ab, freiwillig oder unfreiwillig Kinderlose. Und wohin Narzissmus führt, sehen wir derzeit jeden Abend im TV an den Führungsfiguren der freien und weniger freien Welt. Vielleicht können wir uns auf folgendes einigen: Entweder Mütter sind doch keine Göttinnen, oder wir sind es alle. Wie Yoga-Jünger gerne zur Begrüßung sagen: „Das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir“. Und nein: Damit ist in dem Fall kein Baby gemeint.