Vor fast zehn Jahren war ich eher zufällig als absichtlich Mitgründerin einer Journalistinnengruppe für kollegiales Coaching, von der seither alle Teilnehmerinnen in unterschiedlicher Form profitiert haben. Kostet nichts (außer Zeit), bringt viel (auch neue Aufträge), und passt zu fast allen Berufsgruppen. Der Text unten erschien erstmals 2016 auf dem 40-something-Blog (übrigens auch eine gemeinsame Gründung mit einer der Teilnehmerinnen), und ich möchte ihn aus aktuellem Anlass hier nochmal auf meine Seite stellen, weil mir das Thema Networking gerade sehr am Herz liegt. Die Geschlechterbezeichnungen darin sind nicht gegendert – auch daran sieht man, dass er ein paar Jahre auf dem Buckel hat – , aber die grundlegenden Tipps sind noch immer richtig…
Das Leben ist oft sehr prosaisch. Die besten Ideen für Texte habe ich meistens beim Putzen, die inspirierendsten Begegnungen im Einkaufszentrum. So auch an jenem Tag im Spätsommer vor über zwei Jahren, als ich mit meinen vollgepackten Tüten meiner Journalistenkollegin Inka begegnete, die ebenfalls schwer zu schleppen hatte. Wir stellten unsere Tüten ab, kamen ins Gespräch und fingen natürlich sofort an zu jammern. Das, was fast alle Journalisten seit Jahren tun. Auch die, die gut im Geschäft sind. Medienkrise, Schrumpfredaktionen, miese Honorare. Was tun? Umschulen wollten wir nicht, auswandern genau so wenig (und wohin auch?), reich heiraten fiel aus (verheiratet sind wir schon, nicht reich, aber glücklich). Coaching, das wär’s. Kostet aber eine Stange Geld, wenn man keinen Arbeitgeber hat, der das bezahlt. Aber, Moment mal – konnten wir das nicht auch ohne teuer bezahlte Anleitung? Einfach eine Gruppe von Gleichgesinnten zusammentrommeln und uns gegenseitig auf die Sprünge helfen? Schließlich ist es manchmal einfacher, Weitblick für ein anderes Leben zu entwickeln, als unsere eigene Situation reflektieren.
Eine bunte Truppe, die sich gegenseitig unterstützt
Kurz danach trafen wir uns zum ersten Mal: acht freie Journalistinnen zwischen Mitte 30 und Mitte 50, mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten, unterschiedlichen Lebenssituationen, unterschiedlichen Zielen, aber eine Gemeinsamkeit: Liebe zu unserem Job und dem Willen, neue Wege zu beschreiten. Aus diesem Einmal-Meeting ist mittlerweile eine regelmäßige Veranstaltung geworden: Etwa zwei Mal im Jahr treffen wir uns für ein kollegiales Coaching, überprüfen alte Zielsetzungen, korrigieren den Kurs, entwickeln gemeinsame Ideen. Esther und ich haben dort beide schon unsere Blog-Idee zur Diskussion gestellt, für andere Kolleginnen haben wir gemeinsam Kontakte geknüpft oder das Profil für ihre Website geschärft. Zum Glück haben wir mit Anne Otto eine Kollegin in unserer Runde, die nicht nur wunderbare Musik macht und hervorragende Texte schreibt, sondern zudem als Psychologin noch eine Coaching-Ausbildung hat – ihre Rolle ist jedoch eher die einer zurückhaltenden Moderatorin, die zu Anfang eines Coaching-Tages eine Aufgabe stellt, die uns hilft, uns klarer zu werden. Zum Beispiel so: Denkt darüber nach, was eure größten Erfolge mit 15, mit 20, mit 25 und mit 30 waren – gibt es da ein Muster in dem, was euch besonders stolz macht? Oder: zeichnet eine Zufriedenheitskurve über die letzten zwei Jahre, und findet dann in großer Runde gemeinsam heraus, wie ihr noch mehr an der Glücksschraube drehen könnt.
Kollegiales Coaching: funktioniert sogar ohne Profi
Eine Idee zum Nachmachen. Denn was wir für unseren Berufsbereich tun, funktioniert ja genau so gut für andere Branchen: ob freiberuflich oder fest angestellt, ob Reisebranche, im sozialen Bereich, in technischen Jobs, ob hochakademisch oder handfest-pragmatisch – eine solche Gruppe hilft ungemein, die eigene berufliche Situation einzuschätzen, neue Ideen zu entwickeln, sich über Ziele und Richtungen klarzuwerden, und auch das Nachdenken über die konkreten Jobfragen anderer rückt manchmal im eigenen Kopf etwas zurecht. Natürlich ist es hilfreich, wenn eine Teilnehmerin mit Coaching-Background dabei ist, aber unbedingt notwendig ist das nicht – vorausgesetzt, man beachtet ein paar Regeln.
Die Gruppe: Wir sind acht – das ist eine hervorragende Zahl. Aus meiner Erfahrung würde ich sagen: Nicht weniger als fünf, nicht mehr als zehn Mitglieder. Werden es zu wenige, bekommt die kollektive Phantasie nicht genügend Futter, werden es zu viele, kommt der Einzelne nicht genügend Raum. Es ist von Vorteil, wenn die Mitglieder alle aus der gleichen Branche kommen, einfach, weil ihnen Arbeitsabläufe, Hierarchien, typische Situationen vertraut sind – Branchenfremde haben zwar manchmal einen frischen Blick und originelle Ideen, die sind aber selten wirklich brauchbar. Ganz wichtig: Die Gruppe nicht jedes Mal neu zusammensetzen, wenn man wirkliche Kontinuität haben möchte. Es ist sinnvoll, wenn sich alle Beteiligten nach einer Weile gut genug kennen, so dass man sich lange Erklärungen und Vorreden sparen kann. Ein weiteres Thema, das man vorab klären sollte: reine Frauengruppe oder gemischt? Ich finde den Austausch unter Frauen angenehm, einfach, weil viele von uns ähnliche Prioritäten setzen (etwa: den Ausgleich zwischen Familie und Job), weil keine von uns Scheu hat, auch private Themen mit einzubringen, und weil wir nicht in einen Konkurrenz-Modus geraten. Der Austausch in einer gemischten Gruppe hätte vermutlich eine etwas andere Chemie, mit Vor- und Nachteilen.
Die Moderation: Klar, nicht jeder kennt eine ausgebildete Trainerin, die ihr psychologisches Knowhow einbringt. Muss aber auch nicht sein: Wichtig ist vor allem, dass eine Person in der Gruppe auf Redezeiten achtet, sich eine Struktur überlegt, und ein bisschen genauer zuhört: Bei welchem Thema geraten Teilnehmer in Begeisterung, wo wird ihre Sprache lebendig, wo wird’s emotional? Man kann den Staffelstab auch jedes Mal weitergeben, so dass jeweils eine andere sich für das Gelingen des Tages besonders verantwortlich fühlt.
Der Ort: Ich habe mal einen ganz wunderbaren, branchenübergreifenden Frauen-Coachingtag mit der Kommunikationstrainerin Susanne Westphal erlebt, der in einem Spa stattfand. Da saßen wir uns dann nackt in der Sauna und im Außen-Whirpool gegenüber und besprachen Geschäftsideen und Jahresziele. Kann man durchaus machen (allerdings kann es dann auch passieren, dass andere Saunagäste sich über die Schnatter-Truppe beschweren, nicht ganz zu Unrecht). Ich selbst finde eine neutrale Büro-Umgebung allerdings besser. Klar darf der Spaß-Teil nicht zu kurz kommen: Nach Abschluss ziehen wir abends immer noch in die nächste Bar um (auch das könnte man zur Abwechslung mal in die Sauna verlegen!)
Die Häufigkeit: Mit zwei Mal jährlich fahren wir gut. Noch häufiger ergibt wenig Sinn, in der Regel ändern sich berufliche Situationen und Fragestellungen ja nicht im Monatstakt – noch seltener wäre zu wenig. Ein Treffen in höherer Frequenz kann für manche Berufsgruppen aber sicher auch Sinn ergeben, z.B. wenn alle gemeinsam eine neue Aus- oder Weiterbildung machen, bei der viele Weichen neu gestellt werden.
Die Tagesordnung und das Thema: Ganz wichtiger Punkt. Beim allerersten Treffen geht es sicherlich erstmal um ein gegenseitiges Kennenlernen und eine Bestandsaufnahme: Wer bin ich, welchen beruflichen Weg habe ich hinter mir, wo will ich hin, was ist meine aktuelle Fragestellung? Aber bei den weiteren Terminen ist es sinnvoll, sich einen Schwerpunkt zu setzen. Wir als freiberufliche Einzelkämpferinnen hatten zum Beispiel ein tolles Treffen, bei dem es ausschließlich um Selbstmarketing ging, für eine andere Gruppe mit Festangestellten könnte es z.B. um Strategien in Gehaltsgesprächen oder Kommunikation im Arbeitsteam gehen. Auch eine Tagesordnung sollte man sich unbedingt setzen: Kurze Begrüßungsrunde vorab, dann die Focussierung auf den Schwerpunkt. Mir persönlich hilft es sehr, wenn unsere Moderatorin Anne uns etwas zeichnen lässt, beim letzten Mal z.B. zwei Stimmungskurven über den Verlauf der letzten Jahre: Wann ging es mir privat gut, wann nicht, und wie war das beruflich? Gibt es ein erkennbares Muster dabei? Welche Erfolge haben mich gekickt, welche Situationen bedrückt? Es strukturiert die eigenen Gedanken, wenn man anschließend reihum so ein Chart vorzeigt, erklärt und sich Feedback geben lässt. Ganz wichtig: Pausen einplanen, darauf achten, dass jeder ähnlich viel Rede- und Diskussionszeit bekommt, und die Reihenfolge von Treffen zu Treffen ändern. Erfahrungsgemäß ist die Runde einfach bei den ersten Teilnehmern frischer, bei den letzten schon etwas ermattet.
Vertraulichkeit: Versteht sich fast von selbst, ist aber trotzdem wichtig, sich vorher zuzusichern: Nichts, was in dieser Runde besprochen wird, verlässt den Raum – vor allem natürlich, wenn es um Dritte geht, also unangenehme Chefs, intrigante Kollegen, Jobwechsel-Gedankenspiele, die der Vorgesetzte nicht erfahren sollte, natürlich auch Zahlen aller Art (Umsätze, Verkäufe, Gehalt, Honorare…)
Zielsetzung: Je klarer die Zielsetzung des einzelnen, desto besser lässt sie sich in der Gruppe überprüfen. Was will ich erreichen, bis wann und wie – diese Fragen sind schon mal eine gute Maßgabe, und die Gruppe kann helfen, sich selbst darüber klar zu werden. Aber man muss auch nicht aus jedem Coachingtag geistige Bundesjugendspiele machen, nach dem Motto: Wie schaffe ich’s höher, schneller, weiter? Wir haben zum Beispiel eine Frau in der Gruppe, die eigentlich völlig zufrieden ist mit ihrer Work-Life-Family-Balance und ihren Aufträgen, was immer sehr gute Stimmung in der Gesprächsrunde macht – die fragt sich einfach nur, wie sie den guten Status Quo erhalten kann. Auch dazu kann man Ideen sammeln. Ebenfalls wichtig: zwar sind private Themen oft bei uns auf der Tagesordnung, einfach, weil sie eng mit dem Berufsleben verknüpft sind – ich kann und will z.B. nicht Vollzeit und ganztags arbeiten, weil ich spüre, dass meine Kinder die freien Nachmittage zu Hause brauchen – , aber man sollte sich nicht in privaten Anekdoten verzetteln. Dazu gibt’s ja abends die Belohnungs-Bar. Oder die Sauna.